Die erfolgreichsten eCommerce Seiten in Deutschland haben eine 10 mal grössere Conversionrate als der Durchschnitt. Das ist enorm! Das ist ungefähr so, wie der fast unfassbare Unterschied in den Laufzeiten für einen Marathon. Ein Champion läuft die 42km in knapp 2 Stunden, der Durchschnittsläufer braucht für dieselbe Distanz über 4,5 Stunden.

Das Erfolgsrezept für diesen gewaltigen Vorsprung ist das System, mit dem die eCommerce-Champions optimieren. Diesem System liegen drei Faktoren oder Bausteine zugrunde.

 

1. Nutzerverständnis

Eigentlich ganz einfach. Wenn ich nicht weiss, was meine Kunden motiviert bzw. was sie davon abhält etwas zu kaufen, kann ich nicht optimieren. Darum ist es ein Muss, dass ich mir ein Bild meiner Nutzer mache. Alles andere wäre ein fataler und fahrlässiger Blindflug.

Wenn wir von Wachstum und Optimierung sprechen, dann geht es einzig darum das Verhalten unserer Nutzer zu verändern. Das klingt im ersten Moment nach Manipulation. Ist es auch! Wir Menschen manipulieren ständig, das ist nichts negatives. Man nennt es auch Kommunikation 😉 Wir müssen unsere Kunden überzeugen, dass sie bereit sind ihr ursprüngliches verhalten zu ändern.

Um zu verstehen warum es so immens wichtig ist in den Kopf unsere Nutzer zu gelangen finde ich folgendes Bild sehr hilfreich.

nutzesicht

Aus Anbietersicht ist der Kaufprozess sehr einfach. Wir haben Traffic auf der Seite, der durch den Funnel geschleust wird, konvertiert und damit unsere Kasse klingeln lässt. Auf Nutzerseite ist aber dieser Prozess ungemein viel komplexer. Zwischen seinem Bedürfnisund dem Kauf liegt ein verworrener Weg voller psychologischer und kognitiver Hürden. Der menschliche Entscheidungsfindungsprozess ist von rationalen und irrationalen Emotionen geprägt (Angst, Unsicherheit, Bestätigung, Harmonierbedürfnis etc.) und wird zusätzlich von “exterenen” Faktoren (Konkurrenz, Ablenkung, Einfluss anderer Menschen etc.) bestimmt.

Jetzt könnte man hingehen und sagen, wenn wir diese Prinzipien begriffen haben, dann können wir Massnahmen ergreifen, um den Nutzer zu beeinflussen. Stimmt prinzipiell! Aber so leicht machen es uns die Kunden nicht. Bei jedem Kunden sind  die Faktoren und Emotionen, die die Entscheidung beeinflussen anders ausgeprägt. Natürlich können wir nicht jeden einzeln ansprechen, aber wir können sehr wohl Gruppen von Kunden mit ähnlich gelagerten Bedürfnissen bilden. Klassische Personas eben. Wenn wir noch einen Schritt weiter gehen, dann sollten wir ihren Entscheidungsweg in Customer Journeys abbilden. Mit dem aufgebauten Nutzerberständnis, können wir nun den nächsten Schritt abpeilen.

 

2. Hypothesen

Durch die Analyse von Web-Analytics-Daten haben wir relativ schnell Schwachstellen auf unserer Website identifiziert. Wenn wir nun diese Schwachstellen aus der Sicht des Nutzers – und mit dem Wissen um seine Motivationsfaktoren – betrachten, können wir mögliche Optimierungs-Massnahemen entwickeln. Ich hebe das Wort “mögliche” absichtlich hervor. Wissen tun wir letztendlich nichts, bis wir es ausprobiert haben! Also müssen wir nun hingehen und Hypothesen über mögliche Optimierungsmassnahmen erarbeiten. Diese Hypothesen sind dann die Arbeitsgrundlage für die Erstellung eines Testkonzepts. Wir können dann durch einen A/B Test bzw. Multivariantentest validieren, was funktioniert und was nicht.

Hypothesen erarbeiten klingt im ersten Moment einfach. Wenn man aber anfängt welche zu formulieren, merkt man ziemlich schnell, dass es schon etwas Aufwand bedarf, um eine griffige und letztendlich kontrastreiche Hypothese zu formulieren. Es ist wohl jedem von uns klar, dass eine “klassische” Hypothese wie ein roter Button funktioniert besser als ein grüner, weder griffig noch schlüssig ist und mich ziemlich sicher hinsichtlich Wachstum nicht sehr weit bringen wird. Wie also stellt man eine gute Hypothese auf?

Ich muss wie gesagt die Sicht meiner Nutzer einnehmen und zuerst deren Problem oder Fragestellung formulieren. Danach kann ich nach folgender Schablone eine Hypothese dazu verfassen:
hypothese

Diese Hypothese kann ich nun in ein Testkonzept überführen und Varianten testen, die mir zeigen werden, ob meine Annahmen richtig waren und welches die beste Lösung für das Kundenproblem ist.

 

3. Testing

Wir Optimierer wollen ja faktenbasiert handeln. Also müssen wir unsere Hypothesen validieren, d.h. Gewissheit erlangen, was funktioniert und mit welchen Massnahmen wir das Verhalten der Kunden verändern können. Wir haben mittlerweile den Tisch voller Hypothesen. Das ist sehr gut! Aber jetzt stellt sich die Frage mit welchen Tests sollen wir anfangen?

Eigentlich ist es nicht wesentlich anders, als wen man eine volle Task-Liste hat und nicht mehr weiss, wo einem der Kopf steht. Priorisieren heisst das Zauberwort. Auch Test-Hypothesen wollen priorisiert sein, den Testen kostet Geld und braucht Zeit. Warum das so ist, zeigt die folgende Grafik:

grafik-zeit-signifikanz

Wenn wir einen Test nach einer Woche betrachten, kann es sein, dass wir einen schönen Uplift von 10% messen. Das ist super. Aber wenn wir den Test eine weitere Woche laufen lassen, kann es sein, dass sich das Ergebnis relativiert und wir “nur” noch einen Uplift von 3% feststellen können. Das bedeutet, dass jeder Test eine gewisse Laufzeit braucht, um verlässliche Resultate zu liefern. Die Laufzeit ist von Faktoren wie dem Traffic oder dem Uplift, den man nachweisen möchte abhängig. Dafür gibt im Netz natürlich Rechner.

Für den Optimierer heisst das aber, dass die Anzahl Tests die man im Jahr durchführen kann endlich ist. Darum gilt es hier, Aufwand und zu erwartender Impact gegeneinander zu halten und damit jede Hypothese zu bewerten. So kann man sicherstellen, dass man zuerst die Dinge macht, die erfolgsversprechend sind. Auch bei der Conversion-Optimierung ist der ROI (Return on Investment) eine wichtige Zielmessgrösse.

 

Fazit

Ich glaube, dass man aufbauend auf die beschriebenen Bausteine ein individuelles Optimierungs-Programm starten kann. Entscheidend ist, welche Ziele ihr euch in welchem Schritt setzt. Führt man sich vor Augen, was das tatsächliche Ziel eines jeden Schrittes ist, ist es am Ende leichter die richtigen Methoden zu wählen, die richtigen Entscheidungen zu treffen und vor allem den Fokus nicht zu verlieren.