Im UCD (User Centred Design) Prozess ist das Modellieren ein essentielles Werkzeug um eine IST bzw. SOLL Situation zu verstehen. Die Vielfalt der Modelle reicht von Personas über Nutzerrollendiagramme, Statusdiagramme und die allgemein bekannten UML (Unified Modelling Language) Modellierungsformate. Einige dieser Modelle unterstehen mehr oder weniger strengen Regeln (z.B. UML oder BPMN).

Blick über den Tellerrand

Durch die reglementierten Modellierungssparchen UML oder BPMN haben sich digitale Tools wie Visio, Innovator u.v.m. etabliert. Man modelliert am Rechner mit vorgegebenen Bausteinen und nach allgemein gültigen Regeln. Manche zeichnen erste GUI-Wireframes bereits mit AXURE oder Balsamiq (Wireframing Tools) am Rechner. Dies hat sicherlich Vorteile wie Wiederverwendbarkeit, digitale Weiterverwendung und weltweite Konformität. Sie bringen aber auch ein paar ganz entscheidende Nachteile mit sich. Diese Modelle sind nur “Eingeweihten” verständlich und zugänglich, was bedeutet, dass nicht alle Stakeholder oder gar Teammitglieder diese Notationsformen lesen und verstehen können. Mich persönlich stört aber, dass sie ein eingeschränktes Repertoire an Modellformen bieten und nicht miteinander kombiniert werden können. Eine Notation wie z.B. ein Aktivitätsdiagramm gibt nur Antworten auf einen ganz bestimmten und relativ eingeschränkten Kreis von Fragestellungen. Will ich Inhalte aufzeigen, die nicht mit einer der Notationsformen dargestellt werden können, stehe ich am Berg. Noch gravierender ist aber die Tatsache, dass mir mit einem beschränkten Werkzeugkasten der Blick über den Tellerrand und jenseits des mir bekannten verborgen bleibt. Ich bin überzeugt, dass Innovationen und gute Lösungen abseits von reglementierten Prozessen und Methodiken entstehen.

 

Freestyle Modellierung

Ich möchte eine Lanze brechen für XMV (Xundä MänscheVerstand :-)) und die nahe liegenden Werkzeuge Papier und Stift. Ich denke, dass in frühen Modellierungsphasen diese Hilfsmittel ungeahnte Möglichkeiten eröffnen. Man kann Gedanken, Prozesse, Abhängigkeiten, Zusammenhänge und Ideen visualisieren. Schnell, einfach und verständlich.

Ich persönlich bin ein grosser Anhänger des “Freestyle Modellierens”. Mit Papier und Stift bin ich schnell und kann Modelle effizient und zeitnah anpassen. Ich kann Visualisierungen erstellen, die gleichzeitig Mindmap und eine Form von Aktivitätsdiagramm sind. Ich kann Objektdiagramme malen und sie gleichzeitig in einer Matrix anordnen. Ich kann beliebige Darstellungsformen mischen (Scribble, Diagramm, Icon, Grafik, Papier, PostIT etc.). Ich kann völlig neue Notationsformen (er)finden. Die Möglichkeiten sind kaum eingeschränkt. Wichtig ist einzig das Ziel: innovative Ideen und Lösungen aufzuzeigen, die das Team und die Stakeholder verstehen. Wie ich das letztendlich mache, ist egal.

“Stift und Papier Visualisierungen” haben nicht den Charakter des “in Stein Gemeisselten”. Hinterfragen und verwerfen sind möglich, sogar erwünscht. Sie gestatten eine Flughöhe, die der Fragestellung einer frühen Designphase angemessen sind.

 

Fazit

Skizzen mit Papier und Stift eröffnen weitreichende Möglichkeiten und schränken Kreativität und Möglichkeiten in der Entwurfsphase in keinster Weise ein. Sie ermöglichen das Testen und Ausprobieren von Varianten, das Visualisieren von Ideen und Lösungsansätzen. Sie können schnell erstellt, geändert und allenfalls wieder verworfen werden ohne dass vorgängig ein zu grosser Aufwand betrieben wurde. Als Architekt wurde mir schon früh eingebläut nur mit Skizzenbuch und einem schwarzen Stift oder Bleistift zu entwerfen und lange abzuwarten, bevor ich am Rechner erste (normierte) Grundrisse erstelle. Also, habt Mut lange und ausgiebig mit Papier und Stift zu modellieren, zu skizzieren und erste Tests zu fahren. Und vor allem: lasst euch vom gesunden Menschenverstand leiten! Amen! 🙂