Jobwechsel sind immer eine gute Gelegenheit, um über das Vergangenen zu reflektieren und einen Blick in die Zukunft zu wagen. Man will ja auf dem Weg dorthin mit möglichst vielen Learnings im Gepäck los stiefeln. Ich hab das schon gemacht, als ich damals von den Blauen zu den Grünen gewechselt bin. Nun ist es wieder soweit. Auch damals war ein entsprechender Speech am UX Brunch Auslöser für einen Post 🙂

 

Wir dürfen uns auf die Schulter klopfen

Ja. Das können wir als “Gilde” ruhig mal tun. Wir haben in den letzten Jahren viel erreicht. In vielen Unternehmen haben User Centered Design (UCD) Methoden Einzug in den Designprozess gehalten. UX wird in Projekten angewandt und unterstützt die Projektziele. Dadurch sind viele Anwendungen und einige Touchpoints merklich (be)nutzerfreundlicher geworden. UX kann sogar in manchen Unternehmen die Basis für Projektentscheide liefern. Auf Agenturseite hat man bei einigen Kunden das UCD als Vorgehen etablieren können. Personas, Customer Journeys und User Tests sind keine Fremdworte mehr.

 

Wenn da das kleine “aber” nicht wäre

Der erste Schritt ist gemacht. Aber wir sind erst am Anfang. UX wird zwar in den Unternehmen angewandt, hat aber nach wie vor so gut wie keine direkte Businessrelevanz. Agenturen verkaufen weiterhin Design statt fundierten User Research und Grundlagenarbeiten. Als Folge davon haben wir es nicht geschafft UX strategisch in den Unternehmen zu positionieren und deren Strategie massgeblich zu prägen. Entscheidungen beeinflussen wir höchstens anstatt sie zu treiben. Unsere Gilde hat sich grösstenteils eine Komfortzone im “Doing” eingerichtet. Die strategischen Entscheidungen und die Marschrute des Unternehmens bestimmen andere. Dabei ist der Fokus zwar auf den Kunden gerichtet aber nicht aus dessen Perspektive betrachtet. Das ist vor allem im Zuge der digitalen Transformation eine ungute Entwicklung.

 

Wir sitzen auf dem Beifahrersitz

Das Problem habe ich bereits in meinem Post zu UX Leadership beschrieben. Wir überlassen den Fahrersitz anderen. Wir beeinflussen, lenken aber nicht. Auch UX Agenturen haben es verpasst Unternehmen strategisch zu beraten und als “Trusted Advisor” wahrgenommen zu werden. Man hat über Jahre Projekte verkauft, anstatt die Kunden zu entwickeln und auf dem Weg der digitalen Transformation langfristig zu begleiten. Das haben klassische Unternehmensberatungen übernommen.

Wir sitzen auf dem Beifahrersitz. Das Steuer haben andere übernommen.

Unser Ziel als UXler muss es sein die Geschicke unserer Unternehmen aktiv zu steuern, die Strategie mitzugestalten und Unternehmensziele mit zu definieren. Es ist meiner Meinung nach die höchste Maturitätsstufe, die die Disziplin erreichen kann. UX ist dann Teil des Unternehmenskerns und Kundendaten und Insights sind die Treiber für alle Unternehmensbereiche.

ux maturity

 

UX quantifizieren und Businessrelevant machen

Wie schaffen wir das? Ich glaube, dass wir – um UX strategischer zu leben – lernen müssen die Sprache der Entscheidungsträger zu sprechen. Und das ist die Sprache der Zahlen, der KPIs und ROIs. Wir müssen UX quantifizierbar machen. Wir haben uns über Jahre auf der Nutzer- und Kundenseite bewegt. Einige haben einen Schritt in Richtung Schnittmenge Nutzer-Business gemacht. Aber keiner ist ganz “übergelaufen”. Es gibt in der Schweiz kaum einen CXO. Einige von uns müssen meiner Meinung nach diesen Schritt tun, um letztendlich die gesamte Organisation in den Sweetspot zu bringen, in dem Business, Kunde und Technologie gleichwertig und ohne gegenseitige Abgrenzung den Kern der Unternehmung und ihrer Werte bildet. Unternehmen wie AirBnB haben da gestartet, wird müssen uns dahin transformieren.

 

Conversion Optimierung & Continuous Improvement

Ich glaube bei den Grünen eine Türe in diese Welt der Entscheidungsträger gefunden zu haben. Wieviele von euch haben schon versucht den Nutzen von User Research und nutzerzentriertem Vorgehen einer GL aufzuzeigen? Das klappt in den meisten Fällen im Kleinen durchaus gut. Aber auf Gesamtunternehmensebene sind die Türen meist verschlossen. Das Problem ist, dass wir den Kundennutzen viel zu selten in Zahlen ausdrücken (können). Und das ist genau das, was von einer Geschäftsleitung erwartet wird.

Als wir bei den Grünen begonnen haben quantitative Nutzerdaten aus Google Analytics mit Ergebnissen aus qualitativem User Research zu verbinden und daraus ein auf Hypothesen und Tests basierten Optimierungsprogramm aufgegleist hatten, waren die Ergebnisse auf ein Mal messbar, quantifizierbar und in CHF abbildbar. Dem Management hat es gedämmert, dass man Kundenverständnis (quantitativ und qualitativ) braucht, um die Produkte für eine bessere Conversion zielführend zu optimieren. Wenn man einer Geschäftsleitung aufzeigen kann, dass ein Investment von X Franken einen ROI im zweistelligen Prozentbereich hat, braucht man keine weiteren Argumente.

Man ist zwar noch nicht an dem Punkt, an dem man sagen kann UX ist der Kern des Unternehmens aber es ist ein grosser Schritt in diese Richtung gemacht worden. Conversion Optimierung und Growth-Marketing sind Hebel und Handlungsfelder die UX direkt in die Wohlfühlzone der Geschäftsleitung trägt und in deren Sprache übersetzt.

 

Schlachtplan

Gehet also hin und:

  • identifiziert messbare Hebel
  • präsentiert eurer GL mal einen Business Modell Canvas statt eines Designs
  • schafft Businessrelevanz
  • verkauft eure Vorhaben über den ROI
  • lasst euch an KPIs messen
  • bildet strategische Allianzen mit Businessrelevanten Units in eurem Unternehmen

Bei all dem vergesst aber die Kunden und Nutzer nicht. Good Luck!